1400 Höhenmeter & Typ 1 im Gepäck – Meine Tour durchs Höllental

Die Berge – ich liebe sie einfach. Schon als Kind haben wir fast ausschließlich Wanderurlaube gemacht, und diese Leidenschaft hat mich bis heute begleitet. In den letzten Jahren wuchs in mir der Wunsch nach mehr Herausforderung: mehr Höhenmeter, längere Touren, erste Klettereinheiten.

Schon lange hatten mein Mann und ich eine besondere Tour im Kopf – den Aufstieg zum Osterfeldkopf über die Höllentalklamm bei Grainau. Für September 2023 planten wir einen Familienurlaub an der Zugspitze, und endlich sollte dieser Traum Wirklichkeit werden.

Mit dabei waren meine Eltern, mein Bruder, meine Schwägerin und deren Golden Retriever Dexter. Da uns auf der Tour über 1.400 Höhenmeter und rund 12 Kilometer Strecke erwarteten, haben wir uns entschieden, für diesen einen Tag alleine loszuziehen.
Mit im Gepäck: mein Typ-1-Diabetes. Wie immer.

Vorbereitung & Blutzucker-Planung vor dem Aufstieg

Schon vorher wusste ich ja, dass die Tour eine körperliche Herausforderung wird. Für den Körper ist das eigentlich ein Mix aus Kraft- und Cardiotraining – wenn man es mal vom physiologischen Standpunkt her betrachtet. Und ich habe mich natürlich gefragt: Was wird mein Blutzucker damit machen?
Ich habe beschlossen, an diesem Tag während der Tour und auch schon zum Frühstück kein Insulin zu spritzen – denn innerlich war mir klar: Das kann sonst nur Unterzucker geben.
Und da wir ja fast acht Stunden in Bewegung waren (mit kleinen Pausen), müsste das eigentlich machbar sein. Mein CGM war geladen, der Traubenzucker griffbereit – also konnte es losgehen.

Der Start in Grainau – erste Höhenmeter & innere Zweifel

Wir starteten also um kurz nach acht Uhr direkt von Grainau aus. Es ging erst einmal durch den Wald in Richtung Höllentalklamm. Schon hier war die Natur wunderschön – aber ich sag’s euch ganz ehrlich: Der Blick von unten nach oben zum Ziel, wo man schon die Gondeln vom Osterfeldkopf sehen konnte, hat mir leichtes Herzklopfen bereitet.

Ganz schön ehrfürchtig: Schon beim Start in Grainau konnten wir ganz oben unser Ziel sehen – die Gondeln am Osterfeldkopf.


Der Gedanke „Da wollen wir wirklich hoch???“ ist mir durchaus durch den Kopf geschossen. Und wie sollte es anders sein: Schon in den ersten hundert Metern ging es ordentlich bergauf – und mein innerer Schweinehund hat da schon leise protestiert.
Aber hey – wenn man einmal im Rhythmus ist, wird es besser. Und zum Glück hatte ich ja auch mein Ziel fest im Blick – und meinen Mann als stärkende Unterstützung an meiner Seite.

Magie der Höllentalklamm & die erste Pause auf der Höllentalangerhütte

Die wunderschöne Höllentalklamm hat uns wirklich beeindruckt. Die Stimmung war fast schon mystisch – feucht, kühl, geheimnisvoll. Der Weg schlängelt sich durch enge Felspassagen, über kleine Brücken und an tosenden Wasserfällen vorbei, die direkt neben einem in die Tiefe stürzen. Immer wieder blitzt Licht durch den feinen Sprühnebel – fast wie in einer anderen Welt.

Und dort, am Klammende, wo die meisten Besucher:innen wieder umdrehen, ging es für uns erst richtig los: Hinter dem Klammausgang windet sich ein serpentinenartiger Wanderweg noch einmal ordentlich bergauf. Der Anstieg hat es in sich, aber er wird belohnt – oben angekommen erreichten wir die Höllentalangerhütte, wo wir unsere erste kleine Rast eingelegt haben.

Und ja – ich hab’s getan: Ich habe mir eine große Apfelschorle gegönnt! 🍏🥤
Sowas kommt in meinem Alltag mit Typ-1-Diabetes eigentlich nie vor – aber nach dem Anstieg war’s einfach genau das Richtige. Wir saßen dort etwa eine halbe Stunde, haben die Sonne genossen und den wundervollen Blick auf die Zugspitze bestaunt, bevor es weiterging – Richtung Knappenhäuser.

Neue Kraft & spektakulärer Pfad Richtung Knappenhäuser

Ich sag’s euch ganz ehrlich – nach der Pause kam bei mir wieder so ein richtiger „Diabetes – Schweinehund – Moment“. Ich war irgendwie nervös und sogar ein bisschen ängstlich. Der erste Aufstieg war schon so anstrengend und schweißtreibend gewesen – und ich fragte mich kurz, ob ich den Rest der Tour überhaupt schaffen würde. Aber gleichzeitig: Ich wollte es so sehr. Ich hatte richtig Lust auf das Abenteuer. Und ich wusste, ich bin nicht allein. Mein Mann war wie immer unglaublich verständnisvoll und unterstützend. Er trägt meinen Rucksack, wenn er mir zu schwer wird, versorgt mich mit Traubenzucker und achtet darauf, dass wir immer wieder kleine Pausen und Achtsamkeitsmomente einlegen. Ich wusste: Es kann mir nichts passieren – ich bin sicher, getragen und umsorgt. Dann war für mich klar: Ja, wir gehen weiter.

Und dann – wow. Plötzlich öffnete sich vor uns eine ganz andere Welt: eine weite, raue Berglandschaft, durchzogen von einem schmalen Pfad, der sich direkt an der Flanke entlangzog.

Der Pfad zog sich weiter an der Bergflanke entlang, teils felsig, teils grasbewachsen – stets mit wundervollem Blick Richtung Grainau und der umliegenden Berglandschaft. Ich liebe diese Momente, wenn man sich richtig weit entfernt fühlt von allem Alltäglichen – und einfach nur da ist, auf dem Berg, in der Natur, als ob nur das zählt. Der Alltag weit weg und mittendrin im Abenteuer, aber gleichzeitig auch in dieser wahnsinnig beruhigenden Atmosphäre der Berge.

Die Knappenhäuser, kleine, steinerne Hüttenreste aus alten Bergbauzeiten, wirkten fast ein bisschen unwirklich in dieser Landschaft. Wir machten dort eine kurze Trink- und Brötchenpause, schauten auf die Höhenmeter, die hinter uns lagen – und auf das, was noch vor uns lag.

Denn jetzt kam nochmal ein ordentlicher Anstieg: der Weg zum Hupfleitenjoch. Die Sonne knallte ordentlich, der Pfad wurde steiler und meine Oberschenkel begannen zu brennen. Aber ich spürte auch, wie viel Kraft in mir steckt. Mein Blutzucker war stabil – keine Hypo, keine Alarmmeldung. Ich fühlte mich sicher, getragen von der Bewegung und dem Wissen: Ich schaffe das.

Oben am Joch angekommen, waren wir beide erstmal beeindruckt. Der Blick – einfach gigantisch. Unser Energielevel: unsicher.

Kleiner Fun Fact am Rande: Genau hier standen wir schon einmal – rund 1,5 Jahre zuvor. Damals waren wir mit der Kreuzeck-Gondelbahn auf 1.638 Meter hinaufgefahren und sind ganz spontan zum Hupfleitenjoch gelaufen. Mein Mann zeigte damals in Richtung Tal und sagte: ‚Schau, da kommt man hoch, wenn man durch die Höllentalklamm aufsteigt.‘ Ich erinnere mich noch gut, wie ich dort stand – mit noch ziemlich angeschlagener Kondition nach einer vierwöchigen C.-Erkrankung – und dachte: „Ob ich das wohl jemals schaffen werde…?

Und da stand ich nun. Aus eigener Kraft. Mit voller Energie. Und mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Doch jetzt stand eine Entscheidung an. Schon bei der Planung der Wanderung hatten wir – mit Blick auf unsere Kondition und vor allem auf meinen Diabetes – immer wieder durchgespielt, wo wir gegebenenfalls aussteigen oder abkürzen könnten, falls die Energie doch nicht mehr mitmacht.

Ich finde: Bei allem Mut und bei aller Stärke ist es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein – und sich nicht zu überschätzen. Gerade am Berg sollte man nie das Gefühl haben, jemandem (oder sich selbst) etwas beweisen zu müssen, das körperlich gerade nicht machbar ist. Vom Hupfleitenjoch hätten wir ganz entspannt in etwa 45 Minuten zur Kreuzeckbahn wandern und mit der Gondel wieder Richtung Grainau fahren können.

Aber: Wir waren gut drauf, wir hatten Spaß – und richtig Lust, die letzten 300 Höhenmeter zum Osterfeldkopf noch anzugehen.

300 Höhenmeter vor dem Ziel hat man schon den Alpspix gesehen

Der letzte Anstieg zum Osterfeldkopf – Schritt für Schritt ans Ziel

Und so ging’s weiter – Schritt für Schritt, Höhenmeter für Höhenmeter. Der Weg wurde noch einmal steiler, die Beine schwerer, die Sonne intensiver. Aber irgendwie war alles plötzlich zweitrangig. Wir waren im Flow. Keine Gedanken mehr an den Schweinehund, keine Zweifel – einfach nur Gehen, Atmen, Spüren.

Mein Blutzucker war stabil, mein Kopf klar, mein Herz leicht. Ich wusste: Ich schaffe das. Und ich spürte diesen ganz besonderen Moment – als ich merkte, dass ich über mich hinausgewachsen war.

Als wir schließlich oben am Osterfeldkopf ankamen, konnte ich es kaum glauben. 1.400 Höhenmeter, über acht Stunden unterwegs – und wir haben es geschafft. Wir waren erschöpft. Und glücklich.

Wir standen auf der Plattform des Alpspix, schauten hinunter ins Tal – dorthin, wo wir morgens losgelaufen waren – und ich konnte nur denken: Was für ein Tag.

Fazit – Mit Diabetes auf den Berg? Ja, bitte!

Diese Tour war für mich weit mehr als nur eine Bergwanderung. Sie war ein Zeichen. Dafür, dass man auch mit Typ-1-Diabetes große Dinge tun kann – wenn man vorbereitet ist, auf sich achtet und seinen Körper kennt. Ich habe an diesem Tag nicht nur Höhenmeter überwunden, sondern auch Zweifel. Ich war nicht perfekt, aber ich war da. Mit allem, was dazugehört.

Und genau das möchte ich mir bewahren:
Den Mut loszugehen. Die Kraft dranzubleiben. Und die Freude, am Ende oben zu stehen – mit einem großen Lächeln und purer Freude im Gesicht.

Blutzucker & Insulin – Meine persönliche Strategie

Weil ich wusste, dass wir über viele Stunden in Bewegung sein würden, habe ich mich entschieden, während der gesamten Tour kein Insulin zu spritzen – weder zum Frühstück noch zwischendurch. Stattdessen habe ich gut gefrühstückt: eine Kombination aus Kohlenhydraten, Protein und etwas Fett, was mir eine stabile Grundlage gegeben hat.

Unterwegs hatte ich alles dabei, was ich brauchen könnte:
🥖 Brotzeit,
🍫 Energieriegel,
🍏 eine große Apfelschorle auf der Höllentalangerhütte (ja, wirklich!)
und natürlich 🍬 Traubenzucker – mehr als genug.

Mein CGM hat den ganzen Tag über stabile Werte gezeigt, ich hatte keine einzige Hypo – und auch keine Panik, dass etwas schiefgehen könnte.
Erst abends beim Essen im Tal habe ich dann wieder Insulin gespritzt.

💡 Das hat für mich an diesem Tag wunderbar funktioniert – aber natürlich gilt: Jede:r muss seine eigene Strategie finden.

Abends glücklich und erschöpft beim Abendessen

Mit Typ-1-Diabetes unterwegs zu sein heißt nicht, sich ständig zurückzunehmen – es heißt, seinen eigenen Weg zu finden. Diese Tour war meiner. Ich will hier nichts beschönigen – aber ich will zeigen, dass solche Touren mit Typ-1-Diabetes möglich sind. Es braucht Planung, Klarheit und manchmal auch einfach Lust auf Abenteuer.


Denn ja, auch mit Typ-1-Diabetes darf man große Träume haben. Und man darf sie auch leben. 🏔️💙

PS: Wichtig zu wissen

Dieser Beitrag basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen mit Typ-1-Diabetes und ersetzt keine medizinische Beratung. Jeder Mensch mit Diabetes reagiert anders – bitte bespreche individuelle Anpassungen deiner Therapie immer mit deinem Diabetes-Team. 💙

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